Ungeschminkt

Authentizität als Chance

Nischen Oder Nachhaltigkeitsbranche? Bildet nachhaltiges Design tatsächlich noch immer eine Marktnische? Oder tritt es aus der Nische heraus? Nachhaltigkeit als solche ist Querschnittsthema. Je stärker sie sich ausdifferenziert, umso mehr scheint das Konzept von Authentizität an Bedeutung zu gewinnen. Können Designer*innen und Künstler*innen das nutzen, um ihre Geschäftsmodelle und Einkommensperspektiven zu stabilisieren? Derartige Fragen kann ein “Eco Design Forum“ stellen. Bislang war ich bei den Foren in Hamburg, Tel Aviv und Auja dabei. Als Vertreter von Feldstärken bestand meine Aufgabe darin, die kultur- und kreativwirtschaftliche Perspektive ins Spiel zu bringen. Unter dem Titel „Authentic Business Models for Sustainable Design“ konzentrierten wir uns auf flexible Planungs- und Visualisierungsmethoden zur Entwicklung von Geschäftsmodellen.

Die zu Grunde liegende Effectuation-Logik geht von den individuellen Stärken, Überzeugungen und Werten innovativer Unternehmer aus, konzentriert sich auf das schrittweise Machbare, misst Zufällen eine wesentliche Bedeutung bei, setzt auf Partnerschaften und auf das, was wir selbst beeinflussen können. In den Feldstärken-Workshops des Eco Design Forums ging es nicht so sehr um das Vermitteln von Fachwissen, sondern darum, ein methodisches Fundament vorzustellen, von dem aus sich gemeinsam etwas neues entwickeln lässt. Diesen Ansatz wollen wir mit Vortrag und Workshop zur oekoRAUSCH 2017 fortsetzen und auf aktuelle Trends beziehen.

ECO Design Forum Hamburg 2016 / Foto: Christof Schreckenberg / Feldstärken

Aktuelle Trends …

Authentizität und Geschäftsmodelle für Nachhaltigkeit
Ein Artikel des Zukunftsinstituts titelte 2016: „Authentizität ist die neue Nachhaltigkeit“.

Demnach ist Nachhaltigkeit erwachsen geworden und so wird ein Ende der Non-Profit-Sustainability diagnostiziert. Die Autoren berufen sich damit auf das Drei-Säulen-Modell der nachhaltigen Entwicklung: Ökologisch, sozial und wirtschaftlich. Umwelt Dialog diagnostizierte im Januar vier Nachhaltigkeitstrends. Transparenz und die Abkehr von Einheitslösungen spielen eine zentrale Rolle. (zukunftsinstitut.de/artikel/umwelt/authentizitaet-ist-die-neue-nachhaltigkeit, umweltdialog.de/de/csr-management/csr-nachrichten/2017/Vier-wichtige-Nachhaltigkeitstrends-fuer-2017 ). Parallel dazu beschrieb Florian Haller, Chef der Agenturgruppe Serviceplan, in der Capital fünf Marketingtrends. „Wahrhaftigkeit und Authentizität“ steht bei ihm auf Platz zwei (capital.de/themen/marketing-trends-digitalisierung-personalisierung-kreativitaet). Und das Team von Getty Images benannte im November 2016 visuelle Trends, die u. a. das kontrolliert inszenierte Bild hinter eine fotodokumentarische Ästhetik zurücktreten lassen. Das soll die Glaubwürdigkeit erhöhen (gettyimages.com/de/das-getty-images-team-stellt-vor-die-visuellen-trends-2017).

Relevanz im Kontext von Kultur- und Kreativwirtschaft
Wie authentisch wirkt dabei der Umweltaktivist, der gleichzeitig Designer, Autor, Regisseur oder bildender Künstler ist, also einer Kreativbranche angehört? Kultur- und Kreativwirtschaft gliedert sich in 11 Teilbranchen und ein bildender Künstler oder eine Regisseurin mögen sich fragen, was sie mit einem Software- und Gamesentwickler gemeinsam haben. Es gibt einiges. Bundesweite Evalutionen schreiben der Mehrzahl von „Kreativen“ bestimmte Eigenschaften zu.

Quelle: Eigene Grafik in Anlehnung an Evaluationsergebnisse des RKW Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes sowie BMWi (2010), Forschungsbericht 577: Gesamtwirtschaftliche Perspektiven der Kultur- und Kreativwirtschaft, Langversion, S. 142.

Gemeinsamkeiten der Akteure über die 11 Teilbranchen hinweg
Greifen wir nur drei Eigenschaften heraus: Intrinsische Motivation, die hohe Affinität zu Netzwerken und die Verankerung in kreativen und künstlerischen Szenen. Das könnten gute Ansatzpunkte sein, um Authentizität belegen und kommunizieren zu können – am besten mit Erfolgs- oder auch Misserfolgsgeschichten. Wichtig dabei: Nicht darüber reden, was man tun will, sondern darüber, was man bislang umgesetzt hat. Das schafft Glaubwürdigkeit.

Das meint auch: Schnell ins Handeln kommen. Damit nähern wir uns der unternehmerischen Handlungslogik “Effectuation“, die bei den eigenen Fähigkeiten und Ressourcen startet und daraus den eigenen Markt entwickelt – mehr dazu am 15. Mai beim ECO DESIGN FORUM auf dem oekoRAUSCH Festival.

Präsentationsfolie vom ECO Design Forum Workshop in Auja, Palästina im Oktober 2016
Es tut übrigens gut, Menschen zu treffen, die das hervorragend umsetzen, so wie die Leute von “Disarming Design from Palestine“ in Ramallah, die okölogische und politische Hoffnungslosigkeit in Palästina nicht mit Gewalt bekämpfen wollen, sondern durch nachhaltig produzierte Produkte zu entwaffnen suchen – Produkte, die authentische, identitätsstiftende Geschichten erzählen. Direktor Mohammad Saleh stellte uns beim Besuch in Ramallah einige davon vor, zum Beispiel das “Watchtower and Watertanks Game“ oder die “Bird Plate“. Disarming Design from Palestine wird bei der oekoRAUSCH vertreten sein. Ich freue mich auf ein Wiedersehen.

Weitere Infos unter: disarmingdesign.com

Fotos: Christof Schreckenberg / Feldstärken

Autor*in

Christof Schreckenberg

Ich bin u. a. systemischer Coach, Lehrbeauftragter und Kulturmanager und verstehe mich als Entwicklungshelfer für neue Ideen, Projekte oder Arbeitsweisen aus unternehmerischer Sicht. Früher realisierte ich Tanz-, Theater- und Interkulturprojekte, war im Kompetenzzentrum Kultur- u. Kreativwirtschaft des Bundes und leitete ein EU INTERREG Projekt. Unter dem Label CREATIVE TIDE ging es zurück in die Selbständigkeit und mit ehemaligen Kolleg*innen gründete ich Feldstärken

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